Mancher Neffe meint, wenn der unverheiratete, kinderlose Onkel plötzlich verstirbt, gäbe es etwas zu erben. Dies kann sein, muss aber nicht sein. Zunächst einmal hängt dies davon ab, ob besagter Onkel ein Testament hinterlassen hat.
Aufgrund der grundgesetzlich garantierten Testierfreiheit (Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes) kann nämlich jeder grundsätzlich in Form eines eigenhändigen, handschriftlichen Testamentes oder in Form eines notariellen Testamentes in den Grenzen des Pflichtteilsrechts – dieses ist verfassungskonform – frei darüber bestimmen, wer sein Hab und Gut einmal erben bzw. wie dieses verteilt werden soll.
Dieses ist grundsätzlich zu empfehlen, insbesondere zwischen Eheleuten, die nicht über so viel Vermögen verfügen, dass die Freibeträge des Erbschaftsteuergesetzes überschritten werden.
Gem. § 16 Abs. 1 Ziffer 1 ErbStG steht jedem Ehegatten ein Steuerfreibetrag in Höhe von 500.000,00 € zu.
Hinzu tritt ein besonderer Versorgungsfreibetrag gem. § 10 ErbStG in Höhe von 256.000,00 €.
Erhält aber der Ehegatte aus Anlass des Todes des anderen Ehegatten Versorgungsbezüge, etwa eine Witwenrente, so werden diese Bezüge kapitalisiert und von dem Versorgungsfreibetrag abgezogen.
Sofern Ehegatten also nicht über Vermögen in Höhe von mehr als 500.000,00 € verfügen und kapitalisierten Versorgungsbezüge einer Witwen- oder Witwerrente den Betrag von 256.000,00 € nicht überschreiten, ist es grundsätzlich ratsam, dass sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben berufen und zusätzlich verfügen, dass dann, wenn ein Kind aus Anlass des Versterbens des ersten Ehegatten seinen Pflichtteil verlangt, dieses Kind dann auch beim Ableben des zweiten Ehegatten nur den Pflichtteil bekommt.
Dies hat ganz praktische Gründe: Ehegatten führen üblicherweise einen gemeinsamen Hausstand, was mit dem Abschluss von Versorgungsverträgen für Gas, Strom, Telefon, Internet etc. einhergeht.
Sofern sie sich nicht gegenseitig zum Alleinerben bestimmen, und sofern Kinder vorhanden sind, tritt in all diese Verträge von Gesetzes wegen eine sog. Erbengemeinschaft ein, was die tägliche Handhabung erheblich erschwert. So müssen dann z. B. alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zustimmen, wenn ein Versorgungsvertrag gekündigt oder geändert werden soll, gleiches gilt für Willenserklärungen im Rahmen sonstiger vertraglicher Beziehungen.
Die wechselseitige Erbeinsetzung ist also bei Eheleuten schlicht und ergreifend praktisch, damit der verbleibende Ehegatte über die Dinge des täglichen Lebens alleine entscheiden kann, wenn einer von beiden Ehegatten verstirbt, ohne sich über Einzelheiten mit den Kindern auseinandersetzen zu müssen.
Bei größeren Vermögen, welche die Freibeträge überschreiten, muss man allerdings andere Überlegungen anstellen, wobei man am besten einen fachkundigen Anwalt und/oder Steuerberater zu Rate ziehen sollte, um die Rechtsnachfolge steuerlich zu optimieren.
Dies kann nach Lage der Dinge auch dazu führen, dass ein Ehegatte, dessen Erwerb bei wechselseitiger Erbeinsetzung deutlich über dem Steuerfreibetrag liegen würde, die Erbschaft ausschlägt, denn dann hat er stattdessen einen sog. Zugewinnausgleichsanspruch zusätzlich zu dem Ehegattenpflichtteil gem. § 1371 Abs. 3 BGB. Der Zugewinnausgleichsanspruch ist nicht erbschaftsteuerpflichtig.
Kommen wir aber zurück zu dem unverheirateten und kinderlosen Onkel. Dieser hat logischerweise kein Testament zugunsten seiner Ehegattin errichtet, da unverheiratet, und ich gehe zur Erläuterung der gesetzlichen Erbfolge einmal davon aus, dass der Onkel überhaupt kein Testament errichtet hat, weil er mit seinem Ableben nicht rechnete. Dass Personen versterben, ohne ihren letzten Willen geregelt zu haben, kommt sehr häufig vor, weshalb gewisse Grundkenntnisse bezüglich der gesetzlichen Erbfolge nicht schaden können. Daher gebe ich im Folgenden einen kurzen Überblick über diese.
Vorab drängt sich aber natürlich die Frage auf: Wie sieht es aus, wenn der Neffe erst fünf Jahre nach Ableben des kinderlosen, unverheirateten Onkels, der kein Testament hinterlassen hat und den er evtl. beerbt hat, von dessen Ableben erfährt?
Insoweit ist § 199 Abs. 3 a BGB interessant. Dieser lautet wie folgt:
„Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.“
Also: Wenn der Onkel aus unserem Beispielsfall schon fünf Jahre tot ist, bevor der evtl. erbberechtigte Neffe von seinem Erbrecht und dem Tod des Onkels Kenntnis erlangt, schadet das nicht.
Erbt der Neffe aber nun überhaupt etwas oder nicht?
Das richtet sich nach den Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge, die im BGB in den §§ 1922 ff. eindeutig geregelt ist. Es gilt hiernach der Grundsatz:
„Das Gut rinnt wie das Blut“, was bedeutet, dass man sich die gesetzliche Erbfolge wie eine Art Stammbaum vorstellen muss. Die oberen Zweige kommen erst dann zum Zuge, wenn es unten keine gibt.
Voraussetzung dafür, dass man etwas erbt, ist logischerweise die Erbfähigkeit. Erbfähig ist, wer zur Zeit des Erbfalles lebt, aber auch überraschenderweise, wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war (§ 1923 BGB).
Das bedeutet: War zum Zeitpunkt des Erbfalls schon jemand gezeugt, hat derjenige oder diejenige schon einmal recht gute Aussichten, um zur Erbfolge zu gelangen.
Die gesetzliche Erbfolge ist nach sog. Ordnungen aufgeteilt. Die gesetzlichen Erben erster Ordnung kommen vor allen anderen zum Zuge. Dies sind die Abkömmlinge des Erblassers (§ 1924 Abs. 1 BGB). Der Onkel hatte aber keine Abkömmlinge, weswegen diese Vorschrift in unserem Fall nicht zum Tragen kommt.
Indes bedarf der Vollständigkeit halber der Erwähnung, dass ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt. Leben also Kinder, erben diese vorrangig vor Enkeln.
An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalles nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen). Kinder erben zu gleichen Teilen.
Hätte also der Onkel irgendwann einmal ein Kind gezeugt, und sei es auch nur kurz vor seinem Tod, so wäre dieses Kind, selbst wenn noch nicht geboren, allein zur Erbfolge berufen, wenn der Onkel kein Testament hinterlassen hat.
Nehmen wir aber einmal an, der Onkel hat weder ein Kind gezeugt noch eines gehabt.
In dem Fall sind wir dann bei den sog. gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung. Gem. § 1925 BGB sind gesetzliche Erben der zweiten Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Jetzt muss der Neffe aufhorchen. Es geht nämlich wie folgt weiter:
Leben zur Zeit des Erbfalles die Eltern, so erben sie allein und zu gleichen Teilen. Wir nehmen an, die Eltern des Onkels leben nicht mehr.
Sodann gilt: Lebt zur Zeit des Erbfalls der Vater oder die Mutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, so erbt der überlebende Teil allein.
Dies bedeutet für unseren Fall: Weder der Vater noch die Mutter des Onkels leben noch. Somit treten an deren Stelle ihre Abkömmlinge.
Das folgt dann wiederum der ersten Ordnung: Hatte der Onkel also Geschwister, so erben diese allein und zu gleichen Teilen. Wenn eines der Geschwister verstorben ist, so treten an dessen Stelle die Abkömmlinge der Schwester/des Bruders, zu je gleichen Teilen.
Wie aber, wenn der Onkel nur einen Bruder hatte, dieser auch schon verstorben ist und zwei Kinder hinterlassen hat. Eines davon unser eingangs erwähnte Neffe?
In dem Fall ist es so, dass die Abkömmlinge von Vater oder Mutter nicht mehr leben. Der Bruder ist verstorben.
Der Neffe und seine Schwester sind aber Abkömmlinge des Bruders und treten somit an dessen Stelle. Würden Vater oder Mutter des Onkels noch leben, so würden sie allerdings allein erben (§ 1925 Abs. 3 BGB).
Man kann also die Erbfolge nach Stämmen, vereinfacht gesagt, wie folgt zusammenfassen: Wenn es keine Abkömmlinge gibt, so muss man im Stammbaum nach oben sehen. Sind dort die eigentlich Erbberechtigten (in der dritten Ordnung können dies auch Großeltern sein) schon verstorben, so treten an deren Stelle jeweils deren Abkömmlinge.
Es gilt übrigens auch für Großeltern, dass sie allein und zu gleichen Teilen erben, wenn die Eltern verstorben sind und keine Abkömmlinge vorhanden sind. Ansonsten geht es weiter, wie bekannt: Lebt einer nicht mehr, so treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle.
Das Ganze kann schon einmal zur Verwirrung führen, wenn jemand Abkömmlinge verschiedenen Ursprungs hat, also beispielsweise der verstorbene Bruder des Erblassers eine Tochter mit der Gattin A und den Sohn (unseren Neffen) mit der Gattin B gezeugt hat.
Dieses ist aber bei der Erbfolge nach Stämmen letztlich irrelevant. Sowohl der Neffe als auch die Nichte stammen von dem Bruder des verstorbenen Onkels ab. Die Eltern leben nicht mehr, der Bruder auch nicht, weswegen sowohl unser eingangs erwähnte Neffe als auch dessen Halbschwester zu Erben des Onkels, der kein Testament hinterließ, berufen sind, und zwar zu gleichen Teilen.
Aus Vorgesagtem folgt, dass Ehegatten in der gesetzlichen Erbfolge nach Stämmen keine Rolle spielen. Lebt also in unserem Fall die Ehegattin B des vorverstorbenen Bruders des Erblassers noch, erbt diese nicht, denn sie gehört nicht zum Familienstamm.
Der überlebende Ehegatte ist zwar neben Verwandten der ersten Ordnung zu 1/4 (welches sich durch den Zugewinnausgleichsanspruch um ein weiteres Viertel erhöht) und neben Erben der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen; in unserem Fall war aber der Onkel unverheiratet.
Mithin hat die Mutter unseres Neffen zwar möglicherweise etwas geerbt, als der Bruder des Onkels verstarb, mit dem hier beschriebenen Erbfall hat sie jedoch schlichtweg nichts zu tun. Dies liegt einfach daran, dass das gesetzliche Ehegattenerbrecht überhaupt nur zum Tragen kommen kann, wenn der Erblasser verheiratet war. Dies war in unserem Beispielsfall nicht so.
Ich hoffe, dass ich die gesetzliche Erbfolge verständlich erklärt habe. Bei Fragen kontaktieren Sie mich gerne über anwalt.de. Das Pflichtteilsrecht und die Grundlagen des Erbschaftsteuerrechts erläutere ich in einem späteren Beitrag gesondert.